An der Seite von Klaus Nowodworski, Sänger der Modern Soul Band Berlin, in einem Kunstverein in Berlin - Pankow in der Mühlenstraße tätig.
Bis zur Wende freischaffend als Pantomime und Clown mit eigenen Programmen in der DDR tätig, brachte mir die Wende Perspektivlosigkeit. 1992 entdeckte ich die Malerei und stand sofort mit meinen Bildern am Bahnhof Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg. Über das Arbeitsamt Nord erhielt ich im Jahre 2001 eine über mehrere Jahre dauernde Anstellung in einem Kunstverein in Pankow in der Mühlenstraße, wo ich als Entertainer (Musik und Sprache) angestellt war.
Mehrere Räume gingen von einem schmalen Flur aus: Hinten war der Probenraum, wo alle Programme einstudiert wurden. Manchmal war es für die Nachbarn zu laut, da hörte man durch die Brandmauern ein protestierendes Klopfen. Im Kreise von Sängerinnen und der Chefin des Unternehmens, Eva-Maria E., stand oftmals Klaus Nowodworski in diesem Raum, um Gemeinschaftsprogramme einzustudieren oder solistische Programme einzuüben. Klaus arbeitete mit großer Hingabe, nichts überließ er dem Zufall. Auch für die Technik war Klaus zuständig. Mit äußerster Hingabe und künstlerischem Feingefühl interpretierte er seine Melodien.
Im mittleren Raum fanden die Arbeitsbesprechungen an jedem Montag statt oder wir machten Telefondienst, den wir von der Chefin auferlegt bekamen. Klaus bezeichnete diesen Dienst als Beschäftigungsnachweis. In einem weiteren vorderen Raum war das Büro, in dem sich die Chefin ihr zweites Gehalt verdiente, damit sie mit ihrem BMW jeden Tag zur Arbeit fahren konnte oder uns gelegentlich durch die Gegend fuhr.
Und ganz vorn war noch ein Mini-Raum, eine Art Besenkammer. Das war das Musikstudio des Klaus Nowodworski. Dieses Kabuff war grundsätzlich nur für Klaus bestimmt. Hier entstanden seine Programme, hier lernte er seine Texte, hier sang er. Manchmal machte er mir den Eindruck eines Einzelgängers, obwohl er sehr allgemeininteressiert war. Ich mochte seine leise Stimme, die in manch einer heißen Phase beruhigend auf mich wirkte. Er war für mich ein angenehmer Zeitgenosse, der mich auch in gewisse Geheimnisse des Kunstvereins einführte, wofür ich ihm dankbar war.
Klaus erkrankte im Dezember 2001 aus heiterem Himmel. Zwar nahm im Dezember seine Vergesslichkeit zu und er brachte manches durcheinander, doch niemand ahnte seine tödliche Krankheit. Gehirntumor. Mein Besuch an seinem Krankenbett machte mich bedrückend. Sein Krankenzimmer war ein im Krankenhaus gelegener Kellerraum, der einen Lichtschacht und Ähnlichkeit mit einer möblierten Todengruft hatte.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag war ich bei der Familie Nowodworski eingeladen, die ganz in der Nähe des Plänterwaldes wohnten. Es war ein nasser Tag, alles duftete irgendwie nach Erde. Klaus hatte die Möglichkeit erhalten, das Weihnachtsfest zu Hause erleben zu können. Er zeigte mir viele Fotos und erzählte aus seinem Leben. Er war die Liebenswürdigkeit in Person. Und er schmiedete Pläne, was man noch alles im Kunstverein machen könnte. Bald saß ich am Tisch und ließ mir die Weihnachtsgans schmecken, die seine Gattin Heidi auftischte. Ich wusste haargenau, was mit Klaus los war, doch er hatte glücklicherweise keine Ahnung davon. Nie werde ich diesen Besuch vergessen.
24. Januar 2002. Friedhofskapelle des Evangelischen Friedhofs St. Andrea/ St.Markus. Noch einmal hört man die Stimme des Sängers, der zu den Urvätern der Modern Soul Band seit 1968 gehörte und im Juli 1999 erneut zur Band stieß. Ein letztes großes Ständchen seiner Band. Eine umfassende Trauergemeinde begleitet Klaus zu seiner letzten Ruhestätte. Ich taumle schwer betroffen an sein Grab, gestützt von der Sopranistin Renate Rieche. Danach hatte ich es mehrere Wochen schwer mit dem Magen zu tun. Solche Beerdigungen sind nichts für mich.
Tschüss, Klaus !
Gruß Dieter Raedel.